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Tuesday, 08 February 2011 21:04

An meine Bank: "Vertraust du mir?"

WRITTEN_BY  connormarc

Äußerungen von Niklas Luhmann zum Thema Mikrospenden in Kooperation mit Kreditinstituten gibt es nicht. Dagegen existieren seinerseits eine Fülle von Aussagen, die sich auf den Aspekt des Vertrauens beziehen und der Frage nachgehen, ob und ggf. wie Aufrichtigkeit kommuniziert werden kann. Wie lässt sich nun Vertrauen und Spenden bzw. Vertrauen und Banken näher in Beziehung setzen?

 

 

 

Denn wenn es sich irgendwann herausstellen sollte, dass gerade Banken ein hohes Maß an Vertrauen bei ihren Kunden genießen, welches unter Umständen sogar auf authentischen Emotionen beruht, so könnte dies ein Indikator dafür sein das es sich lohnt, weiterführende Gedanken über die flächendeckende Implementierung von Spenden-Subsystemen in zentralen Recheneinheiten von (regionalen) Banken anzustrengen.

 

Anders gesagt: Wenn sich herausstellt, dass es keine geeignetere regionale Sammelorganisation als meine Bank gibt, dann sollte sie auch sammeln. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg, auf dem auch noch zahlreiche und grundsätzliche Vertrauensfragen zu klären sein werden.

 

Zunächst einmal wirkt es auf mich beruhigend, dass ich in der Reihe von Menschen, denen man nicht ohne Weiteres „einfach so“ vertraut in guter und vor allem zahlreicher Gesellschaft bin. Denn geht es nach Luhmann (und es ist nicht ganz einfach, seine Gedanken „zwischen Tür und Angel“ ad absurdum zu führen), dann sind alle Menschen in einen vertrackten Zustand verstrickt, der sich als Zustand der Nichtkommunizierbarkeit von Aufrichtigkeit beschreiben lässt. Man könnte auch sagen:

 

Aufrichtigkeit lässt sich nicht übermitteln. Leider, sage ich da.

 

Wäre dies möglich, wäre z.B. bei Spendensammelorganisationen viel Zeit, Geld und Energie gespart was die kontinuierliche Anstrengung angeht, vertrauensbildende Maßnahmen immer wieder zu reproduzieren. Spendensiegel und professionelle Mitarbeiter, die Seriosität nicht nur vermitteln sondern im besten Fall auch leben, sind da nur ein Beispiel unter vielen.

 

Warum vertrauen wir uns aber nicht einfach ohne weiteres?

 

In dieser Frage sieht Luhmann als ausschlaggebendes Moment das Empfinden von Differenz bei Empfang einer Mitteilung. Kurz gesagt und in diesem Fall von mir auf Spendensammelorganisationen bezogen:

 

Die Spenden-Organisation sagt, das gesammelte Geld wird an dieser oder jener Stelle eingesetzt – vielleicht irrt sie sich oder aber vielleicht verschweigt sie mir etwas. Vielleicht möchte sie ja nur, dass ich das so höre oder lese usw. usw.

 

Kurzum: Die empfundene Differenz bei Erhalt einer Mitteilung geht, nach Luhmann, alle an. Wir können uns gegenseitig keine Aufrichtigkeit übermitteln, weil es unabdingbar eine Differenz zwischen Information und Mitteilung gibt. Aber natürlich können wir einiges dafür tun, dass wir uns gegenseitig bestmöglich vertrauen und diese Anstrengungen unternehmen die meisten Menschen und Organisationen auch mehr oder weniger täglich. Nicht nur Im Falle von Spendensammelorganisationen kosten diese vertrauensbildenden Maßnahmen z.T. auch richtig Geld, wobei das Thema NPO und deren Kostendeckungsprinzip an anderer Stelle, im Blog von Hannes Jaehnert, vor kurzem recht pointiert dargestellt wurde.

 

Und es geht noch etwas vertrackter:

 

Sollte man annehmen, in Sachen Vertrauen die kleine „Lücke“ oder Differenz, die zwischen Information und Mitteilung liegt durch ein Mehr an Kommunikation schließen zu können, so bewegt man sich auch hier auf einem sehr unsicheren Terrain:

 

„Wer seine Aufrichtigkeit kommunizieren will, handelt kontraproduktiv. Er gibt zu erkennen, daß er von Zweifeln an seiner Aufrichtigkeit ausgeht, und dann kann man nur fragen: wieso? Gegenüber einem eigenen oder einem fremden [Un]Aufrichtigkeitsverdacht läßt sich mit Kommunikation nichts mehr ausrichten.“ (Luhmann/Fuchs 1989, S. 128)

 

In diesem Punkt kommen Spender den Organisationen insofern entgegen als das, wie Studienergebnisse zeigen, die Mehrheit der Befragten (67,9% im Juli 2008, lt. Bilanz des Helfens) der Aussage: „Wenn man mich individuell betreuen würde (z.B. durch persönlichen Kontakt oder Telefonat), würde ich mehr spenden“ nicht bzw. gar nicht zustimmen.

 

Existiert hier vielleicht eine leise und beidseitige Ahnung davon, dass Aufrichtigkeit letztendlich wohl doch nicht kommunizierbar ist?

 

Das betterplace.lab kommt in einer aktuellen Umfrage zu interessanten Ergebnissen, was u.a. folgende Frage angeht:

 

Welche Gründe sprechen gegen Spenden über eine Spendenplattform im Internet?

 

Mit insgesamt 54% liegt hier die Aussage: „Ich bin misstrauisch, ob solche Spendenplattformen seriös sind“ an der Spitze der gegebenen Antworten und 40% der Befragten gaben an: „Ich befürchte, dass mein Geld nicht (vollständig) dem Projekt/ der Organisation zugute kommt, für das es gedacht ist“.

 

Misstrauische, potentielle Spender und Befürchtungen bzgl. der Mittelverwendung, kombiniert mit der Unmöglichkeit, Aufrichtigkeit zu kommunizieren. Nach Luhmann ein Problem, dem man nicht entkommen kann, insbesondere dann wenn man kommunizieren muss.

 

Und Spendensammelorganisationen müssen nun einmal kommunizieren um Spenden zu sammeln. Nicht nur für gemeinnützige Zwecke sondern auch für ihr eigenes Fortbestehen. Und jede Kommunikation regeneriert den Verdacht einer „Unaufrichtigkeit“, wobei jede Beteuerung von Aufrichtigkeit oder jede Beschwichtigung gleichzeitig nur den Verdacht regeneriert.

 

Ich wage einmal einen Blick auf die Möglichkeiten von regionalen Mikrospenden, gesammelt durch regionale Banken in Bezug auf die Kommunikation von Aufrichtigkeit:

 

Zunächst einmal stelle ich für mich in Frage, ob regionale Banken überhaupt Aufrichtigkeit kommunizieren müssen. Man denke an Plakate und Anzeigen mit Aussagen wie „Hier ist ihr Geld sicher“ oder „Jede ihrer Überweisungen wird zu 100% verbucht“ oder aber: "Zinsen werden ihnen in voller Höhe gutgeschrieben".

 

Müssen regionale Banken auf diese Art mit ihren Kunden kommunizieren und noch gewagter: Müssen regionale Banken, ähnlich einer Spendensammelorganisation, kommunizieren um überhaupt als regionale Banken fortbestehen zu können? Würden sie im anderen Falle schlichtweg aufhören zu existieren (so wie Spendenorganisationen wenn keine Spenden mehr eingehen)?

 

Man sollte sich diese Frage schon alleine deshalb stellen, da Banken nicht in erster Linie durch Kommunikation sondern vielmehr durch Geld existieren. Und das ist bei ihnen in ausreichendem Maße vorhanden.

 

Es mag „weit hergeholt“ klingen aber das Bank-Kunde Verhältnis scheint in erster Linie ein emotionales Verhältnis zu sein, bei dem in vielen Fällen Kommunikation sogar eher irritierend wirken kann. Die Comdirect-Studie (2007) spricht in dem Zusammenhang gar von „sinnlichen Qualitäten“, die eine Bank-Kundenbeziehung offenlegt.

 

Würde ich meiner Bank unter den o.g. Voraussetzungen nicht nur zutrauen sondern sogar antragen, den Service einer regionalen Spendensammelorganisation zu übernehmen? Ja, denn auch wenn es seltsam klingt: Ich vertraue ihr – ohne viele Worte bzw. auch ganz ohne Worte.

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